Die Zeiten ändern sich schnell

Dieser Artikel wurde am 07.10.2018 veröfflicht und am 27.01.2022 zuletzt aktualisiert. Im Internet eine sehr lange Zeit. Lesen Sie dazu die Seite Aktualität der Artikel.

Sind Prioritäten obsolet?

Seitdem sich Menschen mit Aufgabenverwaltung, Zeitmanagement und Selbstmanagement-Themen beschäftigen, beschäftigen sie sich auch mit Prioritäten. Prioritäten gelten sozusagen als oberste Priorität des Zeitmanagements. Dies änderte sich 2001 als David Allen sein Standardwerk Getting Things Done [1] herausbrachte. Er sieht zwar Prioritäten noch als eine von vier Säulen zur Erledigung anstehender Aufgaben, jedoch stellt er klar, dass außer den Kontexten keine der anderen drei Kriterien obligatorisch für die Erledigung der Aufgabe ist. Das heißt auch, dass Prioritäten nicht unbedingt gesetzt werden müssen, somit also nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Die Bedeutung von Prioritäten

David Allen postulierte 2001 und auch in der Neuauflage von 2015, dass der Kontext einer Aufgabe (und nicht ihre Prioritäten) das eine Ding sei, dass zur Erledigung einer Aufgabe unabdingbar ist. Aufgaben können durch vier Kriterien charakterisiert beziehungsweise kategorisiert werden, so dass die Erledigung der Aufgabe durch mindestens eine dieser Kriterien eingeordnet werden kann. Hierzu zählt David Allen den Kontext, den Zeitaufwand, das Energieniveau und die Priorität. Wie bereits oben erwähnt kann es keine Aufgabe ohne Kontext geben, jedoch muss keine der anderen drei Kriterien für die Erledigung bekannt sein.

Prioritäten sind überflüßig

Ich provoziere daher gerne und stelle in Gesprächen die These auf, dass Prioritäten im modernen Zeitmanagement obsolet geworden sind. Wenn dies auch nicht ganz korrekt ist, und ich Prioritäten durchaus sekundär berücksichtige und verwende, so erkläre ich gerne an ein paar Beispielen, dass Prioritäten eine untergeordnete Rolle spielen können (vgl. Beispiele). Dennoch wird in vielen Zeitmanagementseminaren immer noch mit Prioritäten gearbeitet. Dies ist auch erst einmal nicht verkehrt oder gar falsch. Viele benötigen Prioritäten, um Herr/Frau über ihre Aufgaben zu werden. Dabei werden die Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit kategorisiert.

Die bekanntesten Methoden, die nach Priorisierung arbeiten, sind die Eisenhower-Methode, ABC-Analyse und die ALPEN-Methode.

Eisenhower-Methode

Die Eisenhower-Methode, auch Eisenhower-Prinzip oder -Matrix genannt, trägt dazu bei, dass Aufgaben und Aktivitäten nach Wichtigkeit und Dringlichkeit klassifiziert werden. Dies ergibt vier Kombinationsmöglichkeiten in Bezug auf An- beziehungsweise Abwesenheit von Wichtigkeit und Dringlichkeit. Dies lässt sich am besten in einem Koordinatensystem oder einer Matrix darstellen.

 

Eisenhower-Matrix

Eisenhower-Matrix

 

In der aktuellen Literatur zu Selbst- und Zeitmanagement wird die Eisenhower-Methode eher kritisch betrachtet, da man durch ein optimales Zeitmanagement gerade verhindern möchte, dass dringlich gewordene Aufgaben sich in den Vordergrund schieben.

ABC-Analyse

Generell wurde die ABC-Analyse, auch Programmstrukturanalyse, 1951 von H. Ford Dickie in seinem Artikel „ABC Inventory Analysis Shoots for Dollars, not Pennies[2] zum erstenmal vorgestellt. Grundlagen der Methode lieferten die Herren Vilfredo Pareto [3] und Max Otto Lorenz[4], deren Erkenntnisse somit in der Theorie der Unternehmensführung Anwendung fanden (vgl. Artikel auf Wikipedia [5]). Objekte werden dabei in Kategorien A, B und C eingeteilt und erhalten somit eine von A nach C absteigende Bedeutung.

Dies wurde später im Zeitmanagement aufgegriffen und zur Prioritätensetzung herangezogen. Dabei wurden Aufgaben der Kategorie A als sehr wichtig kategorisiert, B als wichtig und C als weniger wichtig. Die Einteilung wurde genutzt, um sich auf die wesentlichen Aufgaben zu fokusieren und das weniger wichtige bei Seite zu lassen.

Einen ähnlichen Ansatz, um weitere Kriterien ergänzt, stellt die ALPEN-Methode dar.

ALPEN-Methode

Die A-L-P-E-N-Methode ist ebenso wie die ABC-Analyse eine recht einfache Methode. Ebenso führt sie bei konsequenter Anwendung zu einem effiktiven Tagesablauf. Der Tagesplan spielt daher bei dieser Methode auch die zentrale Rolle. So soll jeden Tag ein paar Minuten aufgebracht werden, um einen schriftlichen Tagesplan, bestehend aus fünf Kriterien, zu erstellen. Die Anfangsbuchstaben der fünf Kriterien ergeben das Wort A-L-P-E-N, daher auch der Name der Methode.

  • A-ufgaben, Termine und geplante Aktivitäten definieren
  • L-änge schätzen
  • P-ufferzeiten einplanen
  • E-ntscheidungen treffen
  • N-achkontrolle

Aufgaben notieren: Es sollten für den anstehenden Tag alle Aufgaben und Aktivitäten in einer einfachen Aufgabenliste notiert werden, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Ordnung oder Reihenfolge. Nicht erledigte Aufgaben des Vortags finden ebenso Eingang in diese Liste.

Länge und Dauer schätzen: Im zweiten Schritt soll der benötigte Zeitaufwand für die Erledigung der Aufgabe realistisch geschätzt werden.

Pufferzeiten einplanen: Eigentlich ist es selbstverständlich , dennoch wird es meist nicht berücksichtigt, dass wir uns irren können, gerade in Hinsicht auf eine realistische Beurteilung der benötigten Zeit für eine Aufgabe. Gleichfalls sind auch unerwartete Störungen eher die Regel denn Ausnahme. Daher ist es wichtig von vornerein genügend Pufferzeiten einzuplanen. Dabei hat sich etabliert nur 60% seiner zur Verfügung stehenden Zeit konkret einzuplanen und 40% für unerwartete Aktivitäten oder Verzögerungen unverplant zu lassen.

Entscheidungen treffen: Nun kommt der schwierigste Part. Man muss sich entscheiden, was man tun möchte oder muss, genauergesagt die Priorisierung der anstehenden Aktivitäten; dazu gehört aber auch das Weglassen und Delegieren von Aufgaben. Für das Priorisieren kann man z.B. Auf die ABC-Analyse oder die Eisenhower-Methode zurückgreifen.

Nachkontrolle: Letzendlich muss kontrolliert werden, ob der Plan sinnvoll war. Das Ergebnis sollte dann in der nächsten Planung miteinfließen. Dies ermöglicht es, seine eigene Planung zu optimieren und immer realistischer einzuschätzen. Übrig gebliebene Aufgaben müssen selbstverständlich auf die Liste für den nächsten Tag verschoben werden.

Ich habe eine Aufgabenliste erstellt, basierend auf der ALPEN-Methode mit Ergänzung der ABC-Analyse.

Aufgabenliste (ALPEN-Methode)

Aufgabenliste (ALPEN-Methode)

Die Vorlage kann als PDF hier heruntergeladen werden: Aufgabenliste-ALPEN-Methode.

Beispiele gegen das primäre Setzen von Prioritäten

Kontexte erleichtern die situative Erledigung von Aufgaben

Nun habe ich also einige Methoden des Aufgabenmanagements gezeigt, die ihren Schwerpunkt auf die Priorisierung von Aktivitäten setzen. Zur Erinnerung David Allen beziehungsweise GTD berücksichtigt durchaus die Kategoriesierung von Aufgaben mittels Prioritäten, stellt jedoch klar, dass dies nicht unbedingt notwendig sei. Lediglich der Kontext ist unabdingbar für eine Aufgabe oder Aktivität. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen erläutern:

Situative Entscheidungen zur Erledigung einer Aufgabe

Sie müssen bis nächste Woche Freitag eine Präsentation vorbereiten. Diese hat „absolute Priorität.“ Sie benötigen für die Fertigstellung noch mehrere Stunden.

  1. Nun sitzen Sie gerade in Ihrem Büro an Ihrem Schreibtisch und haben noch 15 Minuten bis zu Ihrem nächsten Meeting. Was tun Sie?
    1. Sie fangen mit der Präsentation an, weil diese Aufgabe oberste Priorität hat, obwohl dies in der kurzen Zeit absolut keinen Sinn macht.
    2. Sie erledigen eine andere Aufgabe, trotz geringerer Priorität, die Sie aber innerhalb der nächsten 15 Minuten erledigen können.
    3. Sie sitzen da und machen gar nichts.
  2. Es ist Dienstag Abend. Sie sind nach einem 10-Stundentag endlich auf dem Heimweg. Sie kommen an Ihrem Supermarkt vorbei. Sie benötigen noch ein paar Einkäufe. Was tun Sie?
    1. Sie kaufen nichts ein, weil Einkäufe eine geringere Priorität als Ihre Präsentation haben (und diese ja noch nicht fertig ist).
    2. Sie kaufen ein, weil privates und geschäftliches nicht vermischt werden sollten.
    3. Sie kaufen ein, weil es gerade passt.
    4. Sie fahren weiter und machen nichts.
  3. Sie sitzen im Auto und fahren zu einem Kunden. Fahrtzeit ca. 40 Minuten. Sie haben noch einige Telefonate zu erledigen – geschäftliche als auch private. Was tun Sie?
    1. Sie telefonieren nicht, da die Telefonate keine so hohe Priorität wie die Präsentation haben, auch wenn Sie diese im Auto nicht weiter bearbeiten können.
    2. Sie erledigen die Telefonate, da Sie gerade Zeit dafür haben (und eine Freisprecheinrichtung).

Ich denke, es wird deutlich, worauf ich hinaus will. Die Situation, in der Sie sich befinden und eventuell die Hilfsmittel, die Ihnen zur Verfügung stehen, bestimmen viel eher Ihre Tätigkeiten als Prioritäten. Und genau dies versteht David Allen unter Kontext.

Was heißt nun aber Kontext? Kontext im Sinne von David Allen kann man definieren als:

Eine Menge an Ressourcen beziehungsweise physikalischen Gegebenheiten, die notwendig sind, um eine Liste von Aufgaben bearbeiten zu können. Alle Aufgaben in einem Kontext können nacheinander abgearbeitet werden, wenn die Ressourcen beziehungsweise die Gegebenheiten zur Verfügung stehen.Stefan Nehls [6]

Zusammenfassung

Sind Prioritäten nun obsolet? Ich möchte die Frage weiterhin offen lassen. Sind Sie Anhänger der GTD-Methodik, so wird sich Ihr Fokus mehr auf Kontexte denn Prioritäten verlagern. Wollen Sie zunächst überhaupt einmal sich mit Zeit- oder Aufgabenmanagement beschäftigen, so halte ich einen Einstieg über die vorher genannten Methoden, die den Fokus auf Priorisierung legen, durchaus als erfolgsversprechend. Gerade die Kombination aus ALPEN- und ABC-Methode ist ein hervorragender Einstieg in das Aufgabenmanagement.

GTD ist hingegen ein anderer Ansatz, der überlegt sein will. Gerade bei GTD sollte man sich bewusst machen, dass für die erfolgreiche Umsetzung, es nötig ist, sich über seine Routinen Klarheit zu verschaffen und diese in seinen Alltag als festen Bestandteil unumstößlich einzubauen. Hat man dies bewerkstelligt, so ist die Arbeit und Aufgabenerledigung mit Kontexten eine erfolgsversprechende und effiziente Methode für ein optimales Zeitmanagement. Die schwierige Frage in Bezug auf Kontexte bleibt dabei, welche Kontexte man überhaupt braucht. Dieser interessanten und im Internet heiß dikutierten Frage möchte ich mich in einem eigenen Artikel stellen.


Fußnoten

  1. Allen, D. (2015). Getting Things Done: The Art of Stress-Free Productivity (Revised). New York. Penguin Books. [ zurück]
  2. Dickie, H. Ford: ABC Inventory Analysis Shoots for Dollars, not Pennies. In: Factory Management and Maintenance, 6(1951)109, pp. 92–94 [ zurück]
  3. zurück]
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Otto_Lorenz [ zurück]
  5. Seite „ABC-Analyse“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6. Januar 2018, 19:58 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=ABC-Analyse&oldid=172660826 (Abgerufen: 15. Januar 2018, 09:54 UTC). [ zurück]
  6. https://www.stefannehls.de/gtd-kontexte/ [ zurück]
Marc Koschel

Über Marc Koschel

Querdenker • Indie-Schreiber • Kaffeeliebhaber • Geek
Musikhörer • Selbstmanager • Fotograf
— Marc Koschel lebt bei Mannheim und bloggt seit 2001 über digitale Workflows, Automation und Selbstmanagement